Montag, 21.11.2016

Sanktionsgewalt in der Verbandspyramide
Umsetzung von vom Dachverband ausgesprochenen Sanktionen

Einführung
Mit Urteil vom 20.09.2016 entschied der Bundesgerichtshof, dass die Umsetzung einer von einem übergeordneten Dachverband vorgesehene Disziplinarmaßnahme gegenüber den Mitgliedern eines nachgeordneten Vereins, die selbst nicht Mitglied des Dachverbandes sind, entweder einer Grundlage in der Satzung des nachgeordneten Vereins oder einer sonstigen Anerkennung dieser Möglichkeit durch das Mitglied bedarf.

Sachverhalt
Über den nunmehr vom Bundesgerichtshof entschiedenen Sachverhalt wurde in der Vergangenheit mehrmals in der Presse berichtet. Es geht um den Zwangsabstieg des SV Wilhelmshaven. Der Kläger, der SV Wilhelmshaven, nahm im Jahr 2007 am Spielbetrieb der Regionalliga Nord teil. Er verpflichtete im Jahr 2007 einen zuvor als Amateur bei zwei argentinischen Fußballvereinen registrierten Fußballspieler mit (jedenfalls auch) italienischer Staatsangehörigkeit als Vertragsspieler im Sinne der DFB-Spielordnung. Die beiden argentinischen Vereine beantragten sodann bei der FIFA unter Berufung auf das FIFA-Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern die Festsetzung einer Ausbildungsentschädigung gegen den Kläger. Diese pauschale Entschädigung bestimmt sich nach der Zugehörigkeit des übernehmenden Vereins, seinem Kontinentalverband sowie der Wertigkeit der Spielklasse in der der Verein teilnimmt. Die Entschädigung soll einen Ausgleich dafür darstellen, dass der übernehmende Verein eigenen Ausbildungsaufwand für den verpflichteten Spieler erspart hat. Zusammenfassend hat sich der Kläger geweigert die insoweit durch die FIFA zugesprochene Ausbildungsentschädigung in Höhe von insgesamt 157.500,00 € an die beiden argentinischen Vereine zu zahlen. Daraufhin wurde der gesamte verbandsinterne Rechtsweg (gegen die Entscheidung der FIFA) beschritten und auch ein Verfahren vor dem internationalen Sportschiedsgerichtshof geführt. Da sich der Kläger weiterhin nicht der Entscheidung der FIFA beugte, wies diese den Deutschen Fußballbund (DFB) an, gegenüber dem Kläger einen Zwangsabstieg aus der Regionalliga durchzusetzen. Der DFB ersuchte sodann den Beklagten, den Norddeutschen-Fußball-Verband (NFV), den von der FIFA geforderten Zwangsabstieg gegenüber dem Kläger durchzusetzen. Auch gegenüber dem Zwangsabstieg beschritt der Kläger den verbandsinternen Rechtsweg und entschied sich letztendlich für eine Klage vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit. In erster Instanz scheiterte der Kläger vor dem Landgericht. In der Berufungsinstanz wurde sodann die Unwirksamkeit des Beschlusses des NFV, mit dem der Zwangsabstieg verfügt wurde, festgestellt. Der Beklagte erhob daraufhin Revision zum Bundesgerichtshof. 
 
Entscheidung
Mit Urteil vom 20.09.2016 entschied der Bundesgerichtshof, dass der von dem Beklagten (NFV) gefasste Beschluss, mit welchem der Zwangsabstieg des Klägers verfügt wurde, unwirksam sei. Es fehle insoweit an einer ausreichenden Rechtsgrundlage für den verfügten Zwangsabstieg.
 
Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass die Vereinsstrafe in Form des „Zwangsabstieges“ unabhängig davon, ob sie vom übergeordneten Verband (FIFA/ DFB) „befohlen“ wurde, auf der Strafgewalt des Beklagten gegen sein Mitglied (den Kläger), beruht. Insoweit muss sich auch in der Satzung des Beklagten eine entsprechende Rechtsgrundlage für die verfügte Vereinsstrafe finden. So wurde vom BGH bereits mit Urteil vom 09.11.1972 klargestellt, dass ein Vereinsbeschluss nichtig ist, wenn die Beschlussfassung gegen das Gesetz, die guten Sitten oder zwingende Vorschriften der Satzung verstößt. Dabei bedürfen Beschlüsse, die in der Ausübung der aus der Vereinsautonomie hergeleiteten Sanktionsgewalt Disziplinarmaßnahmen zum Gegenstand haben, einer hinreichend bestimmten Grundlage, damit der der Regel Unterworfene einen eventuell drohenden Rechtsnachteil erkennen und entscheiden kann, ob er diesen hinnehmen bzw. ob er sein Verhalten danach ausrichten will. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass es für die Umsetzung einer von einem übergeordneten Dachverband vorgesehenen Disziplinarmaßnahme gegenüber dem Mitglied eines nachgeordneten Vereins, dass selbst nicht Mitglied des Dachverbandes ist, entweder einer Grundlage in der Satzung des nachgeordneten Vereins oder einer sonstigen Anerkennung dieser Möglichkeit durch dessen Mitglieder bedarf. Alleine die Regelwerke der FIFA beinhalteten Regelungen bzgl. der Zahlung von Ausbildungsentschädigungen. Regeln eines übergeordneten Verbands gelten grundsätzlich aber nur für dessen Mitglieder (hier: DFB). Sie erstrecken sich nicht allein aufgrund der Mitgliedschaft des nachgeordneten Vereins in dem übergeordneten Verband automatisch auf die Mitglieder des nachgeordneten Vereins. In vorliegender Fallkonstellation fehlte eine Rechtsgrundlage für den verhängten Zwangsabstieg wegen Nichtzahlung von Ausbildungsentschädigungen wie auch an einer ausreichenden Verweisung auf die Regelwerke der übergenordneten Verbände (DFB, FIFA) in der Satzung des Beklagten.
 
In vorliegendem Fall bestand sodann noch die Besonderheit, dass für die Teilnahme in der Regionalliga ein Zulassungsvertrag durch den Kläger mit dem Beklagten (NFV) geschlossen wurde. Aber auch aus diesem ergaben sich keine ausreichenden Grundlagen oder Verweisungen für die letztendlich gegenüber dem Kläger verhängten Sanktionen in Form des Zwangsabstieges.
 
Die darüber hinaus bestehenden Probleme hinsichtlich einer ggf. vorliegenden unzulässigen Beschränkung der Arbeitsnehmerfreizügigkeit gem. Artikel 45 AEU-Vertrag oder einer grundsätzlich unzulässigen Verweisung in der Satzung des Beklagten, musste der BGH hier nicht mehr entscheiden. 
 
Fazit
Der Bundesgerichtshof stellt in seinem Urteil klar, dass es entweder einer transparenten und deutlichen Regelung oder Verweisung in der Satzung des Vereins bedarf, dessen Mitglied bestraft werden soll. Es reicht gerade nicht aus, wenn der übergeordnete Verband in seiner Satzung bestimmt, dass sich alle seine Mitglieder seiner Satzung und Ordnungen unterwerfen. Eine Sanktionierung des Klägers wegen Nichtzahlung von Ausbildungsentschädigungen ergibt sich alleine aus den Regularien der FIFA, welche aber mangels ausreichender Verweisung nicht als Rechtfertigung für den verhängten Zwangsabstieg herangezogen werden können. In den Satzungen und Ordnungen finden sich keine vergleichbaren Regelungen, weshalb es insgesamt an einer Grundlage für die Sanktionierung des Klägers mittels Zwangsabstieges fehlt.
 
Praxishinweis
Der BGH hat mit vorliegendem Urteil nochmals klargestellt, dass ohne ausreichende und transparente Darlegung des Sanktionsgrundes und des Sanktionsmittels eine Vereinsstrafe nicht wirksam verhängt werden kann. In der Praxis ist von Seiten der Strafenden zu berücksichtigen und zu überprüfen, ob die eigenen Satzungen und Regelwerke die Voraussetzungen für eine Sanktionierung erfüllen und zum anderen dass es dem jeweils Regelunterworfenen möglich ist, mit zumutbaren Aufwand sowohl von den ihn treffenden Verhaltenspflichten als auch von den bei Verstoß möglichen Sanktionen Kenntnis zu nehmen. Die Herausforderung ist dabei die lückenlose Verankerung eines einheitlichen Sanktionssystems innerhalb der Verbandspyramide.
 
Für die den Regeln Unterworfenen zeigt das Urteil des Bundesgerichtshofes, dass nicht jede Strafe ohne weiteres hingenommen werden sollte. Viele Satzungen von Sportverbänden und auch anderen Dachorganisationen sind auch heute noch lückenhaft und erfüllen die strengen Voraussetzungen der Rechtsprechung für die Verhängung von Sanktionen in der Verbandspyramide nicht. Es lohnt sich daher in den meisten Fällen bei verhängten Verbandsstrafen etwas genauer hinzusehen und auch Rechtsrat einzuholen.